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Consilium-TV zum kardiovaskulären Risiko bei Azidose
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Kardiovaskuläres Risiko bei chronischer metabolischer Azidose

Die teilweise dramatischen Zusammenhänge zwischen Herz-Kreislauf-Erkrankungen und chronischer Übersäuerung können Sie in dem folgenden Video sehen. Hier haben wir eine aktuelle Studie ausgewertet, die das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse, wie z. B. Herzinfarkt, Schlaganfall, Herzinsuffizienz und Tod, genau quantifiziert und damit die dringende Behandlungsbedürftigkeit einer Azidose untermauert.

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28.08.2024

Nierenschutz durch Blutdrucksenkung

Blutdrucksenkung
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Vorbehalte, dass orales Natriumhydrogencarbonat (Natriumbikarbonat, NaHCO3) möglicherweise durch eine erhöhte Natriumzufuhr Bluthochdruck (Hypertonie) verursacht und somit bei Hypertonikern u. a. Risiko-Patienten kontraindiziert sei, konnten durch zwei systematische Reviews [1, 2] ausgeräumt werden. Aktuelle Erkenntnisse zeigen sogar eine signifikante Blutdrucksenkung [2], systolisch wie auch diastolisch. Diese antihypertensiven Effekte von Bikarbonat können durch eine reduzierte Angiotensin-II-Aktivität der Nieren unter einer oralen Alkalitherapie entstehen [4] und einen zusätzlichen Nierenschutz bieten.

Orales magensaftresistentes Natriumbikarbonat gilt als Leitlinien-gerechte Standardtherapie bei chronisch metabolischer Azidose (cmA) und Chronischer Niereninsuffizienz (CKD), um Progression und Sterberisiko (Mortalität) dieser Erkrankungen zu reduzieren. Wissenschaftlich diskutiert wurden allerdings die erhöhte Natriumzufuhr und der mögliche Einfluss auf den Blutdruck (RR) und auf eine antihypertensive Medikation. Eine aktuelle Meta-Analyse mit 1.853 inkludierten Patienten [2] konnte dokumentieren, dass unter Natriumbikarbonat die Progression einer chronischen Niereninsuffizienz verlangsamt und darüber hinaus eine signifikante Blutdrucksenkung erreicht wurde (systolisch: MD -2.97 mmHg; 95 % CI, -5.04 bis -0.90 (p = 0,005) und diastolisch (MD -1.26 mmHg; 95 % CI, -2.33 bis -0.19 (p = 0,02)).

Diagramm: Leichte Blutdrucksenkung unter Natriumhydrogencarbonat

Blutdruck unter Bikarbonat im Real-Life-Setting

Unterstützt werden diese Daten durch eine aktuelle multizentrische „Real-World-Analyse“ in 18 nephrologischen und urologischen Praxen [3]. In einem „Real-Life-Setting“ wurden 156 Patienten mit einer chronischen Azidose (Standard-Bikarbonat: 19.4 (17.6, 24.8) mmol/l) inkludiert. 129 Patienten erhielten Natriumbikarbonat (NaHCO3-Gruppe) und 27 Zitrate (No-NaHCO3-Gruppe). Routinemäßig wurde bei allen Patienten neben Blutdruck und Körpergewicht auch das Extrazelluläre Volumen (ECV), als ein Parameter für die Entstehung von Hypertonie, untersucht. Bereits nach durchschnittlich 106 Behandlungstagen erreichten 72 % (n = 91) das primäre Therapieziel. Eine signifikante Erhöhung von RR und ECV konnte bei beiden Gruppen nicht beobachtet werden.

Blutdrucksenkung durch reduzierte Angiotensin-II-Aktivität

Eine mögliche physiologische Ursache einer RR-Senkung bei einer Alkalibehandlung konnte schon 2014 von Goraya et al. in einer klinischen Studie dokumentiert werden [4]. Die Urinausscheidung von Angiotensinogen, ein Prohormon von Angiotensin II, nahm unter Bikarbonat in dieser Studie deutlich ab und zeigte eine reduzierte Angiotensin-II-Aktivität der Nieren. Dies lässt auf eine direkte Wirkung von Bikarbonat auf das RAAS (Renin-Angiotensin-Aldosteron-System) und damit die Blutdruckregulation schließen. Darüber hinaus konnte auch in dieser Studie durch eine Bikarbonat-Gabe ein effektiver Nierenschutz erreicht werden.

Ist Natrium in Arzneimitteln bedenkenlos?

Die WHO empfiehlt, den täglichen Salzkonsum der Allgemeinbevölkerung auf 5 g pro Tag zu begrenzen, was 2 g Natrium entspricht. Ein systematisches Review [5] zeigte drei potenziell synergistische Risikofaktoren für kardiovaskuläre Komplikationen nach Exposition von Natrium-haltigen Arzneimitteln: eine hohe Natriumaufnahme (≥ 1,5 g/Tag), eine lange Expositionsdauer und das Vorhandensein von Komorbiditäten wie Bluthochdruck. Damit kann Natrium in Arznei- und Nahrungsergänzungsmitteln nicht pauschal als bedenkenlos angesehen werden. Das iatrogene Risiko besteht, ist aber bei bekannter Bioverfügbarkeit kalkulierbar.

Bioverfügbarkeit für Risiko-Einschätzung entscheidend

So kann bei der oralen Gabe von magensaftresistenten Natriumbikarbonat-Tabletten (z .B. bicaNorm®, sodaNorm®) durch die nahezu 100 %ige Bioverfügbarkeit (z. B. bicaNorm® pro Tablette 273 mg Natrium) das Risiko gut eingeschätzt werden. Dagegen ist bei nicht magensaftresistenten Formulierungen (Pulver, Presstabletten etc.) eine Risikoeinschätzung durch die Reaktion mit Magensaft zu Wasser, Kochsalz und Kohlendioxid und die damit unklare Bioverfügbarkeit von Natrium wie auch Bikarbonat ungenau.

Fazit: Daher sollte in der Praxis bei der pharmazeutischen Therapie einer chronischen metabolischen Azidose auf die Galenik geachtet und je nach Tagesdosis eine diätetische Natrium-Restriktion empfohlen werden.

Literatur

Häufige Fragen / FAQ

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