Beratungsfeld Azidosetherapie
Störungen des Säure-Basen-Gleichgewichts sind mit zahlreichen Beschwerden verbunden. Die meisten der für eine Behandlung der säurebedingten Symptome angebotenen Basenmittel verursachen auf Grund ihrer Magenlöslichkeit und der dadurch provozierten CO2-Bildung eine zu starke gastrointestinale Säureproduktion (Acid-rebound) und behindern wichtige Verdauungsfunktionen. Präparate mit dünndarmlöslicher Galenik bieten dagegen eine optimale Bioverfügbarkeit und Säureregulation.
Die metabolische Azidose ist ein komplexes Krankheitsbild und wird aufgrund der allgemeinen vieldeutigen Symptome häufig erst spät diagnostiziert [1]. Dies liegt daran, dass der gesunde Organismus Störungen im Säure-Basen-Haushalt zunächst immer über Pufferreserven ausgleicht bzw. temporäre Säurespeicher im Bindegewebe anlegt. Durch die Ablagerung von sauren Stoffwechsel-Metaboliten im Bindegewebe entsteht eine Gewebsazidose, die aber zunächst keinen Einfluss auf den pH-Wert des Blutes hat.
Bei erschöpften Pufferreserven Medikamente einsetzen
Erst wenn Kompensationsmechanismen und Pufferreserven vollkommen erschöpft sind, kommt es zu lebensbedrohlichen Änderungen des Blut-pH-Wertes. Für betroffene Patienten ist daher eine möglichst verlässliche und schnelle Harmonisierung des entgleisten Säure-Basen-Gleichgewichts und die Behandlung der damit zusammenhängenden Übersäuerungserkrankungen (Harnsteine, Hautaffektionen, Osteoporose, rheumatische Erkrankungen u. a.) mit Puffersubstanzen entscheidend.
Intakte Nierenfunktion zum Säureausgleich entscheidend
Bicarbonat, das etwa 75 % der Gesamtpufferkapazität im Körper ausmacht, wird erst im Dünndarm optimal resorbiert und bei normalem Plasmabicarbonat vorwiegend über die Nieren ausgeschieden. Bei Plasmawerten unter 22 mmol/l wird das Hydrogencarbonat nahezu vollständig rückresorbiert und dem Organismus als Puffer wieder zur Verfügung gestellt, d. h. eine intakte Nierenfunktion ist für den Ausgleich einer Azidose ganz entscheidend. Da der renale Plasmafluss pro Lebensdekade um etwa 10 % abnimmt, verfügen gerade ältere Patienten nur über reduzierte Funktionsreserven der Nieren und können demzufolge auch deutlich schlechter Säurebelastungen kompensieren [2]. Gerade bei geriatrischen Patienten entstehen daher schnell Bicarbonat-Defizite und eine metabolische Azidose, die wiederum zu einer Demineralisierung des Skelettsystems beiträgt [4].
Selbstmedikation ist problematisch
Eine wirksame und verträgliche Behandlung mit einem bewährten Basenpräparat steht daher im Vordergrund und ist aufgrund der Fülle von unterschiedlichen Basenpräparaten, die auf dem Markt angeboten werden, ein weites Beratungsfeld für Apotheker. Denn in aller Regel haben viele Betroffene bereits durch Selbstmedikation verschiedene herkömmliche Mittel aus Drogerie oder Reformhaus zum Basenausgleich angewendet, bevor sie aufgrund der unvermindert zunehmenden Säurebeschwerden fachmännischen Rat in der Apotheke suchen. Meist handelt es sich dabei um „einfache“, bereits magenlösliche, basenwirksame Nahrungsergänzungsmittel mit Alkalizitraten oder Bicarbonaten, die bereits nach kurzer Anwendungszeit wegen ihrer Nebenwirkungen und unzureichenden Säureregulation abgelehnt und letztendlich abgesetzt werden.
Nebenwirkungen durch magenwirksame Basenpräparate
Wiederholt haben wissenschaftliche Studien im Ergebnis eindeutig die biochemischen Nachteile und unerwünschten Nebenwirkungseffekte der unmittelbar auf die Magenschleimhäute einwirkenden Basenmittel gezeigt. Oberflächlich betrachtet erscheint es zwar relativ einfach, den Bicarbonat-Puffer als größtes körpereigenes Puffersystem durch Substitution zu ergänzen. Allerdings enthalten viele der in Drogerien oder Reformhäusern angebotenen Produkte Alkalizitrate oder Bicarbonate in direkt löslicher, magenwirksamer Form. Die Nebenwirkungen dieser Präparate durch die frühe Freisetzung im Magen sind Übelkeit, Erbrechen, Aufstoßen, Blähungen, Schleimhautulzerationen, gastrointestinale Blutungen [3] bis hin zu Magenrupturen [5].
Risiko zitrathaltiger Arzneimittel
Laut Roter Liste haben insbesondere zitrathaltige Arzneimittel zur Therapie von Harnsäuresteinen häufig (1-10 %) Nebenwirkungen wie Magen- bzw. Bauchschmerzen. Dabei steigt die Zahl an beobachteten Fällen von unerwünschten Wirkungen mit der Einnahmedauer und der Dosis. Auffällig ist daher, dass bei zitrathaltigen Arzneimitteln eine tägliche Dosierung von nur 10 g empfohlen wird, während bei Nahrungsergänzungsmitteln mit Zitraten sehr hohe Tagesdosierungen von bis zu 30 g empfohlen werden – eine Diskrepanz, die vor dem Hintergrund des Nebenwirkungsspektrums und -potentials von Alkalizitraten risikoreich erscheint.
Unerwünschte Hypersekretion von Magensäure
Bei magenlöslichen Bicarbonat-Präparaten bilden sich durch den unmittelbaren Kontakt des Natriumhydrogencarbonats mit der Magensäure größere Mengen an Kohlendioxid, Natriumchlorid und Wasser [6], die zu einer unnötigen, komplexen Reizung der Magenschleimhäute mit Völlegefühl und saurem Aufstoßen führen. Die kleine Chemie dazu:
NaHCO3 + HCl = NaCl + H2O + CO2
Durch die langfristige Alkalisierung des Magens kommt es reaktiv zu einer kompensatorischen Hypersekretion. Dies führt dazu, dass die gastrischen Sekretionszellen kontinuierlich einen Säureüberschuss produzieren. Die auf diese Weise provozierte Natriumchloridbildung kann mittelfristig zu einem unerwünschten Anstieg des Blutdrucks und zur Bildung von Ödemen führen. Präparate mit Natriumbikarbonat, die nicht magensaftresistent formuliert sind, können zwar kurzfristig gegen Sodbrennen und säurebedingte Magenbeschwerden aber keinesfalls in der Langzeittherapie zur Regulation einer metabolischen Azidose eingesetzt werden.
Vorteile der dünndarmlöslichen Bicarbonat-Substitution
Bewährte Präparate für die wirksame und langfristig verträgliche Therapie können bei Nierenkranken von einem Arzt zu Lasten der Krankenkassen verordnet werden. Das in diesen speziellen Tabletten enthaltene Bicarbonat ist mit einem magensaftresistenten Schutzüberzug versehen, der die kritische Magenpassage, unabhängig von der Nahrungsaufnahme, unbeschadet gewährleistet und die Wirkstofffreisetzung innerhalb des Dünndarms ermöglicht. Dort kann der Wirkstoff nahezu ohne Substanzverluste in den Blutkreislauf resorbiert werden und eine Säure-puffernde Wirkung entfalten. Die sichere Magensaftresistenz dieser Galenik auch bei unterschiedlichen pH-Werten im Magensaft zeigt, dass bis zu einem pH von 5,0 selbst 60 min nach Einnahme kein Wirkstoff in den Magen gelangt. Die verzögerte Resorption des Natriumbicarbonats im Dünndarm verhindert die magenspezifischen negativen Reaktionen und verbessert zusätzlich die Funktion der Verdauungsenzyme. Dieser verdauungsfördernde Prozess wird von den Betroffenen als angenehm empfunden.
Therapieeffekte von magensaftresistentem Bicarbonat
- Vermeidung von Kohlendioxidbildung
- Verhinderung einer kompensatorischen Hypersekretion (Acid-rebound)
- Keine Natriumchlorid- und Wasserbildung
- Keine unnötige Neutralisation der physiologisch notwendigen Magensäure
- Keine Verdauungsbeeinträchtigung
- Erhaltung der bakteriziden Magensäurewirkung
- Minimaler Einfluss auf die Blutdruckregulation
- Erhaltung der Blutbildung (Vitamin B12)
Zielparameter: zufriedenstellende Alkalisierung
Zu den wichtigen Zielen beim Einsatz eines Basenpräparates mit dünndarmlöslicher Galenik gehören die Verhinderung einer dekompensierten chronischen metabolischen Azidose, eine Verzögerung oder Reduktion der Altersosteoporose, die Verbesserung des Eiweißstoffwechsels und der Schutz der Nierenfunktion. Insgesamt wird durch die Säureregulation eine Steigerung der körperlichen Leistung ermöglicht. Dazu gehören verschiedene Faktoren wie eine verbesserte Sauerstoffverwertung, Aktivierung des Immunsystems und Mobilisierung enzymatischer Zellschutzmechanismen. Insbesondere über eine magensaftresistente Galenik kann langfristig eine nebenwirkungsfreie und optimale Alkalisierung und Harmonisierung des übersäuerten Organismus erreicht werden.
Literatur
[3] Giebel W: Effektive Säureregulation bei Neoblase. Arztl Prax. 2008; 5:32-33.
[4] Schaefer M: Metabolische Azidose bei chronischer Niereninsuffizienz. Dialyse akt. 2005; 9 (2).